Seid mehr als einem Jahr leben wir nun in Seoul (Südkorea) und wollten schon immer einmal jenseits des eisernen Vorhangs nach Nordkorea (offiziell: Demokratische Volksrepublik Korea) reisen. Diese Reise musste lange und gut vorbereitet werden. Wir hatten uns für eine 5 tägige Reise Mitte April entschieden, da am 12. April der internationale Marathon in Pyongyang stattfindet und am 15. April der Geburtstag vom Staatsgründer Kim Il Sung mit einem Nationalfeiertag und pompösen Grossveranstaltungen gefeiert wird.
Die Reisevorbereitungen gehen nur über das offizielle nationale Reisebüro KITC, zu dem man mittels eines ausländischen Reiseagentur Kontakt knüpft (… also Flug buchen und losreisen ist nicht …). Die Einreise kann nicht über Südkorea geschehen, da die Grenze geschlossen ist (Von Seoul bis Pyongyang sind es nur 250 Strassenkilometer). Wir mussten den Umweg über Peking wählen mit einem Flug der nationalen Air Koryo (Flugzeugtyp: Antonow). Das Reiseprogramm wurde von KITC genau vorbestimmt und unsere Reisegruppe bestehend aus 8 Personen bekam direkt bei der Ankunft am Flughafen Pyongyang 2 Reisebegleiter, die uns bis zur Abreise nicht mehr aus den Augen gelassen haben (es waren die beiden Herren Kim … so heissen hier gefühlte 50% der Bevölkerung … da kommen Meier, Müller, Schmidt in Deutschland nicht mit).
Am Sonntag, den 12. April wurde der Pyongyang Marathon angeboten, der seit 3 Jahren für Ausländer geöffnet ist. 700 ausländische Läufer fanden sich um 8:00 Uhr im Kim Il Sung – Stadium mit 100.000 koreanischen Zuschauern ein. Ein berauschendes Spektakel … perfekt inszeniert. Dort wurde auf Ansage geklatscht und mit verschiedenen Instrumenten jede Menge Radau gemacht. So war schon die Szenerie vor dem Start ein pures Gänsehauterlebnis.
Die ausländischen Läufer gingen dann um 8:30 auf die 4 x 10 km Runde, schön getrennt von den nordkoreanischen Läufern, die erst eine Stunde später gestartet wurden. 5 Läufer von uns hatten sich für die 10 km entschieden, die durch die Hauptstadt Nordkoreas führten. Aus dem Stadium heraus vorbei am Triumpfbogen (natürlich grösser als der in Paris), entlang breiter und fast autofreier Innenstadtstrassen, über den Fluss Taedong, am grössten Stadium der Welt (1. Mai Stadium mit 150.000 Plätzen) vorbei. Wir passierten dutzende von Regierungsbauten mit stalinistischer Architektur und allgegenwärtig lachten uns die Konterfeis von Staatsgründer Kim Il Sung und seinem Sohn Kim Jong Il von grossen Plakaten entgegen. In übergrossen Bronzestatuen erscheinen sie leibhaftig und wachen über das Geschehen im Land. Eine bizarre Atmosphäre.
Hier und da feuerten uns auch Zuschauer am Strassenrand an, gefühlt waren es wohl mehr Polizsten, die darauf achteten, dass die Läufer auch schön auf Kurs bleiben und nicht plötzlich alleine und unbeaufsichtigt durch die Stadt laufen … man könnte sich ja verlaufen … Direkt nach dem Zieleinlauf wurden wir wieder von unseren beiden Kims in Empfang genommen und wussten, das wir von da ab wieder gut behütet waren. Alle Läufer haben die Tour-de-Pyongyang sehr genossen und erreichten wohlbehalten das Ziel … Die Zeit war völlig unbedeutend, wurde handgestoppt und fein säuberlich in grosse Listen eingetragen. Die anschliessende Urkunde war ebenfalls handgeschrieben … so wie das bei uns wohl in den 50er Jahren gewesen sein muss.
Die Reise durch ein uns fremdes Land war ein Erlebnis für alle und hat bleibende Eindrücke hinterlassen. Der Weg zurück ging dann per Bahn in 22 Stunden von Pyongyang nach Norden an die koreanisch-chinesische Grenze und dann weiter durch den Norden Chinas bis nach Peking. Wir waren alle hocherfreut, als unsere Smartphones an der chinesischen Grenze wieder ein Signal hatten und nach 5 Tagen in der Internet-Diaspora die ersten Lebenszeichen an die Zivilisation gesendet werden konnten.
Für den Lauftreff in der Aussenstelle Seoul
Rochus Bergmann